Das ist meine Sicht auf "Brennende Felder", den neuen Roman von Reinhard Kaiser-Mühlecker, erschienen in den Oberösterreichischen Nachrichten.
Luisa, die Hauptfigur in Reinhard Kaiser-Mühleckers neuem
Roman „Brennende Felder“, kennen seine Leserinnen und Leser schon aus früheren Büchern
des Autors („Wilderer“, „Fremde Seele, dunkler Wald“). Luisa stammt aus dem
ländlichen Rosental, hat zwei Brüder, Alexander und Jakob, und sie hat schon als
Fünfzehnjährige ihr Heimatdorf verlassen. Die Entdeckung, dass Robert oder Bert
oder Bob nicht ihr leiblicher Vater ist, war eine biographische Bruchstelle,
zumal sich Luisa plötzlich eingestehen konnte, dass sie für Bob noch etwas
anderes empfindet als warmherzig-milde Tochter-Gefühle.
In den folgenden zwei Jahrzehnten sammelt sich bei Luisa
eine ganze Menge Leben an. Ihre Ehe mit einem in Schweden lebenden Amerikaner geht
ebenso in die Brüche wie die mit einem dänischen Musiker. Luisa übersiedelt
nach Hamburg und hält sich mit wechselnden Beschäftigungen materiell über
Wasser. Ihre Kinder Marie und Eric bleiben bei ihren Vätern. Und eines Tages
steht Stiefvater Bob vor der Tür – und zwar mit dem bizarren Anliegen, sie möge
mit ihm nach Rosental zurückkehren, nicht als Tochter, sondern als Frau.
Heimkehr nach langer Abwesenheit, Zugehörigkeit, Fremdheit
und Prägung sind in den Romanen von Reinhard Kaiser-Mühlecker wiederkehrende
Motive. Man verirrt sich nicht ins Spekulative, wenn man den Motivkomplex auch
autobiographisch interpretiert. Kaiser-Mühlecker hat selbst viele Jahre fern
vom heimatlichen Eberstalzell gelebt, bevor er zurückgekehrt ist, um den
elterlichen Bio-Hof zu übernehmen. Luisas Heimkehr verläuft allerdings unter
anderen Bedingungen und mit anderen Folgen.
Nach dem mysteriösen Tod von Stiefvater Bob ist es die
Begegnung mit Ferdinand Goldberger, die in Luisas Leben eine markante Wende
einleitet. Auch Ferdinand ist in der Kaiser-Mühlecker-Lesergemeinde kein
Unbekannter. Und so fügt sich „Brennende Felder“ in den breiten Zyklus von
Romanen, deren Einzigartigkeit und literarische Qualität auch darin besteht,
dass sie sich jeder Etikettierung entziehen, weil sie weder der traditionellen
Dorfgeschichte noch der Anti-Heimatliteratur zugeordnet werden können.
Reinhard Kaiser-Mühlecker kennt die bäuerliche Lebenswelt
wie kein anderer Autor. Er idealisiert sie nicht, er dämonisiert sie nicht,
sondern versucht, sie und auch die eigene Rolle darin besser zu verstehen. Das fiktionale,
aber im Wesentlichen realistische Schreiben ist für ihn ein Erkenntnismedium,
und die Überzeugungskraft seiner Texte beruht nicht zuletzt darauf, dass ihm auch
die Grenzen des Erkennens und Verstehens bewusst sind.
Luisas Geschichte ist dafür geradezu exemplarisch. Meist
erzählt Kaiser-Mühlecker aus der Perspektive seiner Protagonistin. So erfahren
wir zwar viel über diese Frau, über ihre Wünsche und Hoffnungen, ihre Enttäuschungen
und Irrtümer, ihr Glück und ihr Unglück. Dennoch bleibt vieles an ihr widersprüchlich
und rätselhaft, für uns Leser und wohl auch für Luisa selbst.
6 Sterne
Reinhard Kaiser-Mühlecker: „Brennende Felder“, Roman,
S.Fischer, 366 Seiten, 26,50 Euro
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