1. HINWEISE
ZUM TEXTVERSTÄNDNIS[1]
„Und die
Liebe höret nimmer auf“
„Und die Liebe höret nimmer auf“. Dieses Zitat
aus dem Neuen Testament („Das Hohelied der Liebe“, 1.Brief an die Korinther
13/8) stellt Ödön von Horvath als Motto seinem Stück „Kasimir und Karoline“
voran. Paulus räumt der Liebe den höchsten Stellenwert ein. „Die Liebe ist
langmütig, / die Liebe ist gütig. / Sie ist nicht eifersüchtig, / sie prahlt
nicht / und bläht sich nicht auf. / Sie handelt nicht unschicklich, sucht nicht
ihren Vorteil, sie läßt sich nicht herausfordern / und trägt das Böse nicht
nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, / sondern freut sich mit der
Wahrheit. / Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die
Liebe hört niemals auf (...)“
Der
Handlungsverlauf des Stücks konterkariert den hohen Anspruch, den Paulus an die
Liebe stellt. Gewiss, die Liebe hört nicht auf. Männer und Frauen sind ihr
ausgeliefert, aber sie ist keine göttliche, sondern eine elementare Kraft. Sie
bleibt immer erhalten, aber nicht zwangsläufig als Liebe zwischen zwei
bestimmten Menschen. Die Akteure verändern sich und tauschen ihre Partner gegen
andere, angeblich „bessere“. Die Sitzengebliebenen suchen nach Ersatz für das
Verlorene. Gerne sehnen sich die Menschen nach einer absoluten, unbedingten
Liebe, die unabhängig von allen materiellen Bedingungen hält und dauert.
Karoline sagt einmal: „Man muß das immer trennen, die allgemeine Krise und das
Private“, aber die allgemeine wirtschaftliche und soziale Krise, Armut und
Arbeitslosigkeit, und die Liebe zwischen Kasimir und Karoline sind nicht zu trennen.
Eugen Schürzinger hat Recht, wenn er Karoline entgegnet: „Meiner Meinung nach
sind aber diese beiden Komplexe unheilvoll miteinander verknüpft.“ (S.20) Und
an anderer Stelle konstatiert er nüchtern: „Nehmen wir an, Sie lieben einen
Mann. Und nehmen wir weiter an, dieser Mann wird nun arbeitslos. Dann läßt die
Liebe nach, und zwar automatisch.“ (S.7)
Ort und Zeit: Das Oktoberfest in den Zeiten der Wirtschaftskrise
„Kasimir und Karoline“ spielt nach der schweren
Wirtschaftskrise von 1929. Aufgrund der internationalen Kapitalverflechtungen
hat der amerikanische „Schwarze Freitag“ auch die wirtschafts- und
finanzpolitische Situation in Deutschland und Österreich drastisch
verschlechtert. Es fehlt an Investitionskapital, Betriebe und Banken geraten in
Schwierigkeiten, die Zahl der Arbeitslosen steigt ständig, und die staatlichen
Sozialhilfeprogramme sind dürftig. Das Vertrauen der Menschen in die jungen
demokratischen Republiken wird erschüttert. Antidemokratische Parteien auf der
äußersten Linken und auf der äußersten Rechten gewinnen Wähler und Anhänger.
Die Zukunft ist unsicher...
Die
Entscheidung für den Spielort Oktoberfest bringt für Horvath zunächst einmal
Vorteile dramaturgisch-handwerklicher Art, weil er auf übersichtlichem Gelände
Figuren relativ einfach ab- und wieder auftreten lassen kann, ohne
Wahrscheinlichkeitsgesetze des Realismus zu verletzen. Das Oktoberfest ist auch
ein günstiger Stimmungsraum für eine bittere Liebesgeschichte, denn wenn im
Hintergrund das Wiesn-Orchester sentimentale oder optimistisch-fröhliche Lieder
und Weisen anstimmt, entsteht ein beklemmender Kontrast zu den gar nicht
heiteren Handlungselementen des Stücks. Das Oktoberfest ist auch ein
symbolischer Ort, ein Ort mehr oder weniger diffuser und irrationaler Sehnsüchte
und Erwartungen. die nur selten in Erfüllung gehen.
1.-3- Szene: Der Kraftwagenfahrer Kasimir ist
abgebaut worden und will daher gar nicht mit Karoline auf „ihr“ Oktoberfest
gehen
Horvath beginnt das Stück mit Musik. Das „Wiesn“-Orchester
spielt „Solang der alte Peter“. Auf der Bühne sieht man laut Regieanweisung
einen Eismann und einen „Haut-den-Lukas“. Ein Zeppelin fliegt „in einer ganz
geringen Höhe über die Oktoberfestwiese“. Festbesucher schauen ihm beeindruckt
nach. Hoch- und Heilrufe erschallen. Ein Liliputaner ist stolz darauf zu einer
Menschheit zu gehören, die es schon „so weit gebracht hat“. Der Zeppelin wird
ist in diesem Augenblick ein geradezu mythisches Objekt; er repräsentiert
Hoffnungen und Träume. „Du, Kasimir“; sagt Karoline, „jetzt werden wir bald
alle fliegen.“ Aber Kasimir hat als Einziger kein Interesse am Zeppelin. Auch
die Tatsache, dass dieser „einige Schleifen über uns beschreiben wird“, wie
Karoline, vermutlich einen Werbetext zitierend, verkündet, kann Kasimirs Laune
nicht verbessern. Er ist entlassen („abgebaut“) worden und will das Oktoberfest
gar nicht besuchen. Die Identifikation des Volks mit dem Zeppelin kommentiert
er ideologiekritisch. „(...) wenn einer von uns dieses Luftschiff sieht, dann
hat er so ein Gefühl, als tät er auch mitfliegen – derweil haben wir bloß die
schiefen Absätz und das Maul können wir uns an das Tischeck hinhaun!“ (S.5) Die
Verstimmung führt zum offenen Konflikt zwischen dem Paar. Und schon kommen
soziale und ökonomische Tatsachen ins Spiel, denn Kasimir wirft Karoline vor,
sie habe gut lachen. Ihre Eltern seien pensionsberechtigt und sie selbst sei
Büroangestellte. Aber er, der arbeitslose Kraftfahrer, habe niemanden. Karoline
deutet an, dass ihr die Beziehung zu Kasimir mittlerweile zur Last geworden
ist, allerdings spricht sie nicht von materiellen Motiven, sondern von
Problemen der seelischen Disposition. „Vielleicht sind wir zu schwer
füreinander (..) Weil du halt ein Pessimist bist und ich neige auch zur
Melancholie.“ Kasimir reagiert vergrämt und geht beleidigt ab.
6.-9.Szene:
Karoline begegnet einem Zuschneider, behauptet aber, dass eine wertvolle Frau
noch mehr an ihrem Manne hängt, wenn es diesem schlecht geht
Karoline lernt während Kasimirs Abwesenheit am
Eisstand den Zuschneider Schürzinger kennen. Dem zurückkehrenden Kasimir
erzählt sie, sie kenne diesen Herrn schon lange. Die gespannte Stimmung aus der
3.Szene findet ihre Fortsetzung. Kasimir ist davon überzeugt, dass Karoline
deswegen meint, dass sie nicht zueinander passen, weil er abgebaut worden ist.
Karoline fühlt sich ungerecht behandelt: „Hab ich nicht immer zu dir gehalten?
Weißt es denn nicht, was das für Schwierigkeiten gegeben hat mit meinen Eltern,
weil ich keinen Beamten genommen hab und nicht von dir gelassen hab(...).“
(S.9) Aber Kasimirs Misstrauen ist zu groß. Er lässt Karoline stehen, eine
Situation, die dem Zuschneider Schürzinger Möglichkeiten eröffnet. Schürzinger
gibt sich aufgrund einer gewissen Halbbildung weltweise, sinniert über den Zusammenhang
zwischen Liebe und ökonomischem Erfolg, erwähnt, dass er sich schon des öfteren
mit der „Schicksalsfrage“ beschäftigt habe und fährt schließlich mit Karoline
Achterbahn.
10.-20.
Szene: Der Merkl Franz und „Dem Merkl Franz seine Erna“
Ein weiteres Paar betritt die Bühne. „Der Merkl
Franz“ und „Dem Merkl Franz seine Erna“, wie Horvath die beiden im
Personenverzeichnis nennt. Merkl ist ein ehemaliger Arbeitskollege von Kasimir,
der „auf die schiefe Ebene“ geraten ist. Die Art und Weise, in der Merkl von
Frauen spricht, veranschaulicht recht krass, warum Horvath für dessen Braut die
Bezeichnung „Dem Merkl Franz seine Erna“ gewählt hat. Merkl betrachtet Erna als
sein Eigentum, das ihm zu „parieren“ hat. Würde sie sich nicht seinem Willen
fügen oder ihn gar betrügen, tät er ihr „das Kreuz abschlagen“. Rücksichtnahme
ist nicht angebracht, denn „Weiber gibts wie Mist.“ Für Kasimirs „nachsichtige
Methoden“ gegenüber Karoline hat der Merkl Franz keinerlei Verständnis. „Wie
sie auf der Bildfläche erscheint, zerreiß ihr das Maul“, rät ihm Merkl.
Karoline erscheint nach ihrer Achterbahnfahrt tatsächlich wieder auf der
Bildfläche. Kasimir folgt zwar Merkls Vorschlägen nicht, er setzt aber den
Streit fort. Wieder geht es um seinen Verdacht, Karoline liebe ihn wegen seiner
Arbeitslosigkeit nicht mehr. Karoline wiederholt zwar ihre Floskel „Eine
wertvolle Frau hängt höchstens noch mehr an dem Manne, zu dem sie gehört, wenn
es diesem Manne schlecht geht,“ aber die konkrete Frage Kasimirs, ob sie denn
solch eine wertvolle Frau sei, lässt sie unbeantwortet. Letztlich wird Kasimir
beleidigend, beschimpft Karoline als „Zuschneidermensch“ und provoziert dadurch
den Bruch, wobei allerdings offen bleibt, ob für Karoline diese Beleidigung
nicht ohnedies ein willkommen Anlass zur Beendigung der Beziehung ist, denn
wenige Szenen später ist sie nicht mehr bereit, Kasimirs Versöhnungsangebot
anzunehmen.
21.- 38. Szene: Karoline begegnet zwei
„bremsigen Saubärn“ und behauptet, dass eine Frau, die wo etwas erreichen will,
einen einflußreichen Mann bei seinem Gefühlsleben packen muss
Schauplatzwechsel. „Beim Tobogan. Am Ende der
Rinne, in welcher die Toboganbesucher am Hintern herunterrutschen. Wenn dabei
die zuschauenden Herren Glück haben, dann können sie den herunterrutschenden
Damen unter die Röcke sehen.“ Kommerzienrat Rauch und seinen Freund, den
Landesgerichtsdirektor Speer, präsentiert Horvath als lüsterne alte Männer, die
sich vor den Tobogan stellen und mit Elli und Maria, zwei Prostituierten,
Kontakt aufnehmen möchten. Elli und Maria amüsieren sich aber nur über die
„bremsigen Saubärn“. Während Rauch und Speer gebratene Hühner essen und Bier
trinken, kommen Karoline und Schürzinger vorbei. Schürzinger erkennt in Rauch
seinen Chef. Da Karoline Rauch und Speer gefällt, werden sie und Schürzinger zu
Samos und Kirschwasser eingeladen. Die soziale Hierarchie zeigt sich an den
Verhaltensweisen der Figuren. Schürzinger ist Rauch gegenüber devot und
unterwürfig, lässt sich sogar dazu nötigen, Kirschwasser zu trinken, obwohl er
Antialkoholiker ist. Rauch fühlt sich wohl in der Rolle des generösen
Gastgebers, und Karoline dürfte sich auch wohl fühlen, weil sie spürt, dass sie
der Grund für die Freundlichkeit der beiden Herren ist. Für Schürzinger ist die
Situation insofern unangenehm, als er gerade dabei war, Karoline näher zu
kommen, aber nun aufgrund seiner beruflichen Abhängigkeit von Rauch tatenlos
zusehen muss, wie sich Rauch und Speer um Karoline bemühen.
Kasimir ist mittlerweile wieder zurückgekehrt und hat die Situation vor
der Hühnerbraterei beobachtet. Er möchte sich mit Karoline versöhnen. „Ich hab
dich um Verzeihung bitten wollen von wegen meinem Mißtrauen und daß ich zuvor
so grob zu dir war. Nein das war nicht schön von mir. Wirst du mir das
verzeihen?“(S.26) Karoline verzeiht zwar, aber an ihrer zerbrochenen Beziehung
zu Kasimir ändert das nichts mehr. Vergessen ist die Tugendformel von der
wertvollen Frau, die den Mann noch mehr liebt, wenn es ihm schlecht geht.
Karoline identifiziert sich jetzt mit anderen Sprachformeln und Glaubenssätzen:
„Das Leben ist hart und eine Frau, die wo etwas erreichen will, muß einen
einflußreichen Mann immer bei seinem Gefühlsleben packen.“ Eine „höhere
gesellschaftliche Stufe“ zu erreichen ist jetzt ihr Ziel. Für den verblüfften
Kasimir ist dies ungewohnt. Karoline erklärt ihm und ihr selbst die veränderte
Situation, die ihrer Ansicht nach gar nicht so neu ist: „Ich habe mich von dir
tyrannisieren lassen und habe es dir nachgesagt, daß eine Büroangestellte auch
nur ein Proletarierin ist! Aber da drinnen in meiner Seele habe ich immer
anders gedacht! Mein Herz und mein Hirn waren ja umnebelt, weil ich dir hörig
war! Jetzt ist das aus.“ (S.26)
39. – 57. Szene: In der „Abnormitätenschau“
singt ein Gorillamädchen und Schürzinger legt seinen Arm um Karoline
Neuerlicher Schauplatzwechsel. In der
„Abnormitätenschau“ werden zur Unterhaltung des Publikums Menschen mit
körperlichen Fehlbildungen ausgestellt. Der Direktor des Unternehmens ist
selbst eine „Abnormität“, ein Liliputaner, der – anstatt sich mit seinen
Leidensgefährten zu solidarisieren – ein unmenschliches Regiment über sie
ausübt. Die Herrschaftsverhältnisse in der Abnormitätenschau sind wohl auch als
parabolisches Modell einer Gesellschaft interpretierbar, die nicht als
Solidargemeinschaft organisiert wird, sondern in der der Einzelne danach
trachtet, Machtpositionen einzunehmen und andere für seine Zwecke auszunützen
und auszubeuten.
Schürzinger, Karoline, Rauch und Speer delektieren sich auch an der
Abnormitätenschau. Plötzlich wird die Vorstellung unterbrochen, weil gerade der
Zeppelin über der Wiesn „einige Schleifen beschreibt“. Während Rauch und Speer
noch den Zeppelin betrachten, kommt es zur Annäherung zwischen Karoline und
Schürzinger. Sie gibt ihm einen „kurzen Kuß“, und in ihm geht nach eigener
Aussage „etwas vor, das ich nicht kontrollieren kann.“(S.31) Da kehrt Rauch
zurück und ärgert sich sichtlich darüber, dass Schürzinger seine Abwesenheit
dazu genützt hat, sich an Karoline heranzumachen. Aber Schürzinger begreift
sofort, dass er seinen Chef verärgert hat und relativiert die Situation.
„Lassen Sie sich nur nicht stören in ihrer angeregten Unterhaltung“, sagt der
verärgerte Rauch. „Herr Kommerzienrat! Angeregt ist anders, wie man so zu sagen
pflegt“, entgegnet Schürzinger und signalisiert Rauch damit, dass dieser
keineswegs aus dem Spiel ist.
Musik
als Kontrastzeichen zum Bühnengeschehen ist ein Mittel, das Horvath in „Kasimir
und Karoline“ wiederholt anwendet. Geradezu makabre Züge nimmt dies in der
54.Szene an. Juanita, das „Gorillamädchen“, das am ganzen Körper behaart ist,
muss in der Abnormitätenschau die Barcarole aus „Hoffmanns Erzählungen“ von
Offenbach singen. Während das Gorillamädchen, das gewiss auf Liebe und
Zuwendung verzichten muss, singt „Schöne Nacht, du Liebesnacht / Oh stille mein
Verlangen!“ legt Schürzinger seinen Arm um Karoline.
58.-72. Szene: Für den betrunkenen Kasimir sind
„alle Weiber minderwertige Subjekte“, aber Merkls Vorschlägen kann er auch
nichts abgewinnen
Erneuter Schauplatzwechsel. Im Wagnerbräu spielt
die Blasmusik „Solang der alte Peter“. Die Bräuhausbesucher singen mit. Unter
ihnen sind Merkl, Erna und Kasimir. „Solang am Platzl drunten noch steht das
Hofbräuhaus / Solang stirbt die Gemütlichkeit / Zu München nimmer aus“, singen
die Gäste, und wieder einmal ist der Kontrast zwischen musikalischer Botschaft
und Realität augenfällig, denn von Gemütlichkeit ist längst keine Rede mehr.
Kasimir, verbittert über das Vorgefallene, ergeht sich in Spekulationen über
die Schlechtigkeit der Frauen im Allgemeinen. „Überhaupt sind alle Weiber
minderwertige Subjekte.“ Da fällt ihm offensichtlich ein, dass ja Erna auch
eine Frau ist. „Anwesende natürlich ausgenommen“, fügt er hinzu, aber dieser
Einschränkung hätte es gar nicht bedurft, denn Erna, die sich anscheinend das
Frauenbild ihres Geliebten (und gleichzeitigen Unterdrückers) Merkl angeeignet
haben dürfte, stimmt zu: „Wenn ich ein Mann wär, dann tät ich keine Frau
anrühren. Ich vertrag schon den Geruch nicht von einer Frau. Besonders im
Winter.“
Kasimir zitiert den Refrain eines Liedes, das soeben gespielt und
gesungen wird: „Und dennoch hab ich harter Mann / die Liebe schon gespürt.“
Kasimir demontiert nun erstaunlich hellsichtig die Klischees und Idealisierungen
der Liebe: „(...) die ist ein Himmelslicht und macht deine Hütte zu einem
Goldpalast – und sie höret nimmer auf, solang du nämlich nicht arbeitslos
wirst. Was sind denn das schon überhaupt für Ideale von wegen dem seelischen
Ineinanderfließen zweier Menschen? Adam und Eva! Ich scheiß dir was auf den
Kontakt (...)“ (S.36) Diese Dekonstruktion von Mythen des Liebens erinnert an
die kritischen Aussagen Kasimirs über die Gefühle, die der Zeppelin bei den
Menschen erzeugt, Gefühle, die beglückend wirken, aber nur kurzfristig über die
Wirklichkeit hinwegtäuschen können. Als Kasimir in rührseligem Selbstmitleid zu
versinken droht, erweist sich der Merkl Franz als nüchterner Kritiker mit dem
ungetrübten Blick für die Wirklichkeit:
KASIMIR:
(...) heut sauf ich mich an und dann häng ich mich auf – und morgen werden die
Leut sagen: Es hat einmal einen armen Kasimir gegeben –
DER MERKL
FRANZ: Einen Dreck werden die Leut sagen! Da sterben ja täglich Tausende –und
sind schon vergessen, bevor daß sie sterben! (S.36)
Nach einem kurzen Intermezzo mit Elli und Maria,
in dessen Verlauf Kasimir klar wird, dass er ohne Geld nur mehr ein armer Hund
ist, der sich von zwei Prostituierten verspotten lassen muss, versucht der
Merkl Franz erneut, Kasimir zu seiner Art von Lebensbewältigung zu überreden.
Er habe sich auf einen bestimmten Paragraphen spezialisiert, sagt er, und er
erklärt diesen Entschluss auch aus den aussichtslosen politischen
Verhältnissen. „Wenn man nur wüßt, was daß man für eine Partei wählen soll-“,
sagt Kasimir, aber Merkl winkt ab: „Es gibt überhaupt keine politische Partei,
bei der ich noch nicht dabei war, höchstens Splitter. Aber überall markieren
die anständigen Leut den blöden Hund! In einer derartigen Weltsituation muß man
es eben derartig machen, wie zum Beispiel ein gewisser Merkl Franz.“ (S.40)
Noch kann sich Kasimir nicht dazu entschließen, kriminell zu werden, aber wenn
er „jetzt dem Merkl Franz folgen täte“, sagt er, dann wäre einzig und allein
Karoline daran schuld, die dafür verantwortlich ist, dass er „jetzt innerlich
leer“ ist.
Erna
hat schon einmal versucht, Merkl Franz davon abzubringen, Kasimir zur
Kriminalität zu überreden. Sie hält Kasimir für „empfindsam“, nicht für eine
„robuste Natur“ und äußert grundsätzliche Bedenken über die Art und Weise, mit
der sie und Merkl ihr Leben finanzieren. Diesmal büßt Erna für ihre Kritik an
Merkls Verhalten. „Der Merkl Franz
fixiert Erna grimmig – plötzlich schüttet er ihr sein Bier in das Gesicht“
(Regieanweisung S.41). Als Erna aufspringt, drückt sie der Merkl auf den Platz
zurück: „Da bleibst! Sonst tritt ich dir in das Gesicht!“ – Das Orchester
spielt die Petersburger Schlittenfahrt.
73. – 83.Szene: Was Kommerzienrat Rauch mit
Ludwig XV. und Schürzinger mit dessen Leutnant gemeinsam hat
Rauch, Speer, Karoline und Schürzinger sind
mittlerweile im Hippodrom gelandet, wo Karoline reiten will. Rauch und Speer
bestellen Wein und betrinken sich im Laufe der folgenden Szene. Da sie beide
Interesse an Karoline haben, geraten sie in Streit. Speer, schon völlig
betrunken, versetzt Rauch einen Stoß und versucht auch nach ihm zu treten.
„Soll eine vierzigjährige Freundschaft so zerbrechen?“, sagt Rauch, Speer
antwortet: „Bei dem Augenlichte meiner Enkelkinder schwör ich es dir, jetzt
sind wir zwei getrennt von Tisch und Bett!“ und „torkelt ab“. Für Rauch ist nun
die Bahn frei. Er kann Karoline dazu überreden, mit ihm in seinem Cabriolet
nach Altötting zu fahren. Als Motivationshilfe dient ihm der Hinweis auf seine
gesellschaftliche Position und die Möglichkeiten, die sich für Karoline dadurch
eröffnen.
RAUCH (...)
Was verdienen Sie monatlich?
Stille.
KAROLINE:
Fünfundfünfzig Mark.
RAUCH: Schön
KAROLINE:
Ich bin auch froh, daß ich das habe.
RAUCH: In
der heutigen Zeit.
KAROLINE:
Nur hat man so gar keinen Zukunftsblick. Höchstens, daß ich mich verdreifache.
Aber dann bin ich schon grau.
RAUCH:
Zukunft ist eine Beziehungsfrage (...) und Kommerzienrat Konrad Rauch ist eine
Beziehung. Auf nach Altötting! (S.49)
Schürzingers Rolle ist in dieser Situation
ebenso kläglich wie fragwürdig. Zuerst warnt er Karoline vor Rauchs und Speers
sexuellen Ambitionen. Dieser Warnung bedarf es wohl nicht, da ja Karoline
keineswegs naiv ist. Er behauptet, nur in ihrem Interesse zu denken und spricht
von Würde. „So etwas ist doch keine Gesellschaft für dich. Das ist doch unter
deiner Würde.“ (S.44)
Karoline durchschaut erstens, dass Schürzinger unter dem Deckmantel von
Würde und Moral hier nur seine eigenen Interessen verfolgt, und zweitens folgt
sie ihrem Leitsatz, dass eine Frau, die etwas erreichen will, einen
einflussreichen Mann bei seinem „Gefühlsleben“ packen muss. „Menschen ohne
Gefühl haben es viel leichter“, sagt sie jetzt. Schürzingers Gesprächsstrategie
geht also völlig ins Leere. Er muss zur Kenntnis nehmen, dass er sich keine
Hoffnungen auf eine „gemeinsame Zukunft“ mit Karoline mehr machen kann.
Folglich fällt es ihm nicht sonderlich schwer, Rauch seinen Platz an Karolines
Seite zu überlassen und – statt auf Karoline – nun auf die Dankbarkeit seines
Chefs zu hoffen. Rauch weiß noch nicht, dass Karoline an Schürzinger ohnedies
nicht mehr interessiert ist. Der Zuschneider scheint ihm immer noch im Wege zu
stehen. Mit einer Anekdote will er seinem Angestellten die Situation klar
machen: „Kennen Sie die historische Anekdote von Ludwig dem Fünfzehnten, König
von Frankreich – Hören Sie her: Ludwig der Fünfzehnte ging eines Abends mit
seinem Leutnant und dessen Braut in das Hippodrom. Und da hat sich jener
Leutnant sehr bald verabschiedet, weil er sich überaus geehrt gefühlt hat, daß
sein Monarch sich für seine Braut so irgendwie interessiert – Geehrt hat er
sich gefühlt! Geehrt!“ Schürzinger geht sofort auf den Hinweis ein und bietet
einen „Deal“ an: „Ja diese Anekdote ist mir nicht unbekannt. Jener Leutnant
wurde dann bald Oberleutnant –(...)- Darf ich mich empfehlen, Herr
Kommerzienrat.“ (S.47) Schürzinger folgt also derselben Logik des individuellen
materiellen Vorteils, den er gerade noch an Karoline kritisiert hat.
85.-99. Szene: Der Merkl Franz geht an die
Arbeit und Karoline auf die Reise nach Altötting
Auf dem Parkplatz für Privatautos hinter der
Oktoberfestwiese geht Merkl Franz seiner „Arbeit“ nach und gerät zunächst
zufällig an Rauchs Kabriolet. Er findet aber nur ein Buch mit dem Titel „Der
erotische Komplex“. Erna und Kasimir stehen Wache. Im folgenden Gespräch
zwischen den beiden vertritt Erna die Ansicht, es gebe keine schlechten
Menschen. „(...) die Menschen wären doch gar nicht schlecht, wenn es ihnen
nicht schlecht gehen tät. Es ist das eine himmelschreiende Lüge, daß der Mensch
schlecht ist.“ Oft, sagt sie, male sie sich eine Revolution aus – „dann seh ich
die Armen durch das Siegestor ziehen und die Reichen im Zeiserlwagen, weil sie
alle miteinander gleich soviel lügen über die armen Leut – Sehens, bei so einer
Revolution, da tät ich gerne mit der Fahne in der Hand sterben.“ (S.51) Rauch
und Karoline kommen nun zum Parkplatz, um nach Altötting zu fahren. Karoline
sieht Kasimir und dürfte verunsichert sein. Sie geht auf ihn zu und sagt etwas
unbeholfen: „Lebe wohl, Kasimir. (...) Ich fahre jetzt nach Altötting.“ Für
Horvath dürfte diese Mitteilung nichts Triumphales oder gar Verhöhnendes
beinhalten, obwohl sie natürlich auch mit diesem Ausdrucksgehalt gesprochen
werden könnte, aber Karoline geht nur „langsam“ (Regieanweisung) von Kasimir
weg. Möglicherweise ist sich Karoline in dieser Situation ihrer Handlungsweise
nicht mehr ganz sicher. Dennoch fährt sie mit dem betrunkenen Rauch weg.
100.- 108.
Szene: Wendepunkt, Desillusionierung, Ernüchterung
Horvath macht nun einen kleinen Zeitsprung. Ein
entscheidender Wendepunkt der Handlung ist erreicht. Die nächsten Szenen
spielen vor der Sanitätsbaracke. Rauch sitzt davor und wird von einem Sanitäter
betreut. Karoline ist bei ihm. Sie erzählt dem Sanitäter, dass Rauch während
der Fahrt eine Herzattacke erlitten habe. Nur ihrer raschen Reaktion sei es zu
verdanken, dass es nicht zu einem Unfall gekommen sei.
Während das Orchester „Bist du’s, lachendes
Glück?“ spielt, treten Oktoberfestbesucher mit verbundenen Gliedmaßen aus der
Baracke. Karoline vermutet, dass ein größeres Unglück passiert ist, aber der
Sanitäter klärt die Lage auf:
„Angeblich
hat da so ein alter Casanova mit zwei Fräuleins in ein Mietauto einsteigen
wollen und dabei ist er von einigen Halbwüchsigen belästigt worden. Angeblich
soll der eine halbwüchsige seinen Schuh ausgezogen haben und selben dem alten
Casanova unter die Nase gehalten haben, damit daß der daran riechen soll – aber
der hat halt nicht riechen wollen und da soll ihm ein anderer Halbwüchsiger
einen Schlag in das Antlitz versetzt haben. Das Resultat war halt, daß in Null
Komma Null hundert Personen gerauft haben (...)“ (S.57)
Als sich herausstellt, dass der „alte Casanova“
kein anderer ist als der betrunkene Speer, besinnt sich Kommerzienrat Rauch auf
seine Freundschaft. Von Karoline will er nichts mehr wissen, im Gegenteil.
„Diese Sauweiber“, schimpft er, „Dreckiges Pack. Ausrotten. Ausrotten – alle!“
Karolines „Beziehung“, die ihr zu einer „höheren gesellschaftlichen Stellung“
verhelfen sollte, hat sich mit einem Schlag in nichts aufgelöst. Da erscheinen
Elli und Maria in der Tür der Sanitätsbaracke. „Ah, Herr Nachttopf“, sagt Maria
grinsend, als sie Rauch wiedererkennt. Karoline nimmt die Bezeichnung auf: „Auf
Wiedersehen, Herr Nachttopf“ schreit sie dem Kommerzienrat nach - und steht
plötzlich nicht ganz ohne Grund auf einer Ebene mit den Prostituierten.
Abermals spielt das Orchester „Bist du‘s lachendes Glück?“
109. – 117.
Szene: Ein böses Happy-End
Die letzten Szenen spielen wieder auf dem
Parkplatz. Erna und Kasimir sind, während sie Schmiere stehen sollten, einander
näher gekommen. Sie haben während ihres Gesprächs ihre Aufgabe vernachlässigt,
und die Folge ist nun, dass Merkl Franz vom „Kriminaler“ festgenommen wird.
Erna ist davon überzeugt, den Merkl nie mehr wieder zu sehen. Damit ist der Weg
zu einer neuen Verbindung frei.
KASIMIR: Ich
glaub, wir sind zwei verwandte Naturen.
ERNA: Mir
ist es auch, als täten wir uns schon lange kennen. (S.62)
Kasimir legt laut Regieanweisung seinen Arm um
Ernas Schultern, sie ihren Kopf an seine Brust. Da kommt Karoline zurück. Aus
ihrem vermeintlichen Aufstieg in die besseren Kreise ist nichts geworden.
Belehrt durch die Erlebnisse der letzten Stunden nimmt Karoline zur Kenntnis,
dass Kasimir Recht behalten hat. „Du hast gesagt, daß der Herr Kommerzienrat
mich nur zu seinem Vergnügen benützen möchte und daß ich zu dir gehöre – und da
hast du schon sehr recht gehabt.“ Und auch die von Schürzinger im Hippodrom
geäußerte Ansicht, die Würde der Frau stünde auf dem Spiel, wird nun von
Karoline geteilt: „(...) ich müßt so tief unter mich hinunter, damit ich höher
hinauf kann. Zum Beispiel habe ich dem Herrn Kommerzienrat das Leben gerettet,
aber er hat nichts davon wissen wollen.“ (S.63) Das „Beispiel“, das Karoline
hier anführt, ist allerdings unpassend, hat sachlich nichts mit dem Verlust
weiblicher Würde zu tun. Bedenkt man Horvaths Absicht, in seinen Volksstücken
den Bewusstseinszustand der Menschen zu demaskieren, so erhält dieser
„textgrammatikalische Fehler“ demaskierende Funktion: An Karolines reumütiger
Rückkehr zu Kasimir dürften Moral und Ehrgefühl möglicherweise doch weniger
Anteil haben als die faktische Zurückweisung durch Rauch. Aus ihrem „rosigeren
Blick in die Zukunft“ ist nichts geworden, weil sie die gegenwärtigen
Verhältnisse durch die rosarote Brille eigener Illusionen gesehen hat.
Wie
auch immer, Kasimir ist für Karoline ohnedies verloren. Als sie ihn küssen will,
spuckt er aus. „Was tot ist, ist tot und es gibt keine Gespenster, besonders
zwischen den Geschlechtern nicht!“, sagt er, und als Karoline Erna als
„Zuchthäuslerin“ beschimpft, schreit Kasimir sie an: „Geh halts Maul und fahr
ab.“(S.64)
Viele
unterhaltende Volksstücke enden damit, dass das Paar oder die Paare
zusammenfinden. Horvath, dessen erklärte Absicht die Zerstörung des alten
Volksstücks war, greift auf diese Art des Schlusses zurück, gibt ihm aber
aufgrund der Umstände, unter denen er Zustande kommt, eine andere Bedeutung,
fernab von Harmonisierung und Liebesidyll. Erna und Kasimir haben also einander
gefunden. Und auch Karoline bleibt nicht allein. Eugen Schürzinger taucht
wieder auf, noch immer davon überzeugt, durch seinen Verzicht auf Karoline
seinen beruflichen Aufstieg eingeleitet zu haben. In dieser Situation - stehen
gelassen von Rauch und endgültig verlassen von Kasimir - wendet sich Karoline
wieder Schürzinger zu: „Eugen. Ich habe dich vor den Kopf gestoßen und das soll
man nicht, weil man alles zurückgezahlt bekommt.“ Schürzinger umarmt sie, „gibt
ihr einen langen Kuß“ und geht mit ihr ab. Auf der Parkplatzbank sitzen immer
noch Erna und Kasimir. Die letzten Worte, die sie einander sagen, haben wenig
zu tun mit Happy-End und Lustspielschluss:
KASIMIR:
Träume sind Schäume.
ERNA:
Solange wir uns nicht aufhängen, werden wir nicht verhungern.
Stille.
KASIMIR: Du Erna –
ERNA: Was?
KASIMIR:
Nichts.
Stille (S.65)
Die letzte Szene besteht aus einem Lied, das
Erna zu singen beginnt; und Kasimir stimmt langsam ein:
Und blühen
einmal die Rosen
Wird das
Herz nicht mehr trüb
Denn die
Rosenzeit ist ja
Die Zeit für
die Lieb
Jedes Jahr
kommt der Frühling
Ist der
Winter vorbei
Nur der Mensch hat alleinig
Einen
einzigen Mai. (S.66)
2. ERGÄNZENDE
HINWEISE
2.1. Die „Wiesenbraut“. Zum
Verständnis der Karoline-Figur
Horvath hat in einem Notizheft folgende Beschreibung einer
„Wiesenbraut“ gegeben:
„...Unter einer Wiesenbraut
versteht man in München ein Fräulein, das man an einem Oktoberfestbesuch kennen
lernt, und zu dem die Bande der Sympathie je nach Veranlagung und Umständen
mehr oder weniger intimer geschlungen werden. Meistens wird die Wiesenbraut vom
Standpunkt des Herrn aus gesehen – aber die Geliebte samt der Sehnsucht, die in
der Wiesenbraut leben, werden selten respektiert. Oft will die Wiesenbraut nur
lustig sein und sonst nichts, häufig will sie sonst auch noch etwas; nie aber
denkt sie momentan materiell. Aber in der Wiesenbraut lebt häufig die
Sehnsucht, dass es immer ein Oktoberfest geben soll; immer so ein Abend; immer
eine Achterbahn, immer die Abnormitäten; immer Hippodrom im Kreise. (...) Die
Wiesenbraut verlässt die Ihren, verlässt ihr Milljöh – geht mit Herren, die sie
nicht kennt, interessiert sich wenig für den Charakter, mehr für die
Vergnügungen. Die Wiesenbraut denkt nicht an den Tod. Die Wiesenbraut opfert
ihren Bräutigam, sie denkt nicht, sie lebt. Sie verliert ihre Liebe wegen einem
Amüsement. Sie vergisst wohin sie gehört. Und der Kreis um die Wiesenbraut
empfindet diese Störung. Er gerät durcheinander aus Enttäuschung. Aber bald
ordnet sich wieder alles – und die Wiesenbraut ist ausgeschaltet. Nur im
Märchen bekommt die Wiesenbraut einen Prinzen. In Wahrheit versinkt sie in das
Nichts sobald die Wiese aufhört.“ (Gesammelte Werke. Hg. von Traugott Krischke
und Dieter Hildebrandt Bd.2., Frankfurt: Suhrkamp 1970, S.659f.)
2.2. Ödön von Horvath und die kritische Erneuerung des traditionellen
Volksstücks
Aus: Christian Schacherreiter: Man muß nur Aug und Ohren dafür haben.
Warum Theater so faszinierend ist. Band 2. Linz: Grosser 1999 (vergriffen)
Hinweis: Textwiedergabe im Original (alte Rechtschreibung)
[Das Volksstück im süddeutsch-österreichischen Raum]
„Das Volksstück hat im
süddeutsch-österreichischen Sprachraum eine lange Tradition, die bis in das
17.Jahrhundert zurückreicht. Das Volksstück war ursprünglich die plebejische
Alternative zum höfischen Theater, das ja meist schon rein institutionell den
hohen Ständen vorbehalten blieb und auch die Interessen und die Lebensweise der
Aristokratie zum Thema hatte. Das Volksstück, in früheren Jahrhunderten fast
ausschließlich von Wanderbühnen gepflegt, wandte sich auf Markt - und
Stadtplätzen, in Wirtshaussälen und Dorfschenken an die niederen Stände, an die
Bürger und Bauern. Die finanziellen und oft genug auch die künstlerischen
Mittel der Wanderbühnen waren recht begrenzt. Und so blieb das Volkstheater in
den meisten Fällen ein ausschließlich unterhaltendes Genre, das sein kulturell
bescheidenes Publikum mit reißerischen Handlungselementen, Prügelszenen und
Obszönitäten verwöhnte, mit Sex und Crime sozusagen. Trotzdem fanden sich auch
im Volkstheater immer wieder Meister des Faches, denen die schwierige Gratwanderung
zwischen künstlerischem Anspruch und unterhaltender Funktion gelang. Von
Ferdinand Raimund und Johann N. Nestroy war in diesem Zusammenhang schon im
1.Band dieser Dramengeschichte die Rede. Auf Ludwig Anzengruber, einen manchmal
etwas unterschätzten österreichischen Dramatiker des 19.Jahrhunderts, soll
zumindest hingewiesen werden.
Der 1839 geborene Anzengruber zog selbst
jahrelang als Schauspieler mit verschiedenen Wanderbühnen durch die Lande,
entschloss sich aber nach diesen Wanderjahren dann doch zur Sesshaftigkeit und
begnügte sich in der Wiener Polizeidirektion mit einer Anstellung als
Schreiber. Erst jetzt begann er seine Laufbahn als Dramatiker, schrieb teils
heitere, teils leicht pädagogische Volksstücke wie „Der Pfarrer von Kirchfeld“
(UA 1870), „Der Meineidbauer“ (UA 1871) und „Die Kreuzerlschreiber“ (UA 1872).
Natürlich gehören diese Stücke zur leicht konsumierbaren Bühnenkunst, sie sind
aber mit professioneller Hand geschrieben und beinhalten sozialkritische
Akzente, die Anzengrubers Werk über das Niveau der üblichen Bauernpossen
hinausheben. Mit seinem Volksstück „Das vierte Gebot“ (UA 1877) gelang
Anzengruber ein sozialrealistisches Drama, das schon auf den späteren
Naturalismus verweist.
Aber trotz Anzengruber und Nestroy, trotz
der sozialen Dramen des Naturalismus, die dem Genre Volksstück in mehrfacher
Hinsicht nahe stehen, blieb die Mehrheit der Bühnenwerke, die in der Zeit um
1900 dem Volkstheater zugerechnet wurden, künstlerisch seicht. Handlung und
Personen waren ziemlich stereotyp gestaltet: Da gab es immer wieder den alten,
grantelnden Bauer, dessen nur scheinbar versteinertes Herz zu guter Letzt doch
noch weichgeheult wird, den hintertriebenen Erbschleicher, der zur Freude des
Publikums am Ende das Nachsehen hat, da gab es die frömmelnde Betschwester, die
der Doppelmoral überführt wird, und natürlich bereicherte das liebenswerte
junge Paar, das sich am Ende vor dem Traualtar einfindet, alle ländlichen
Schwankbühnen. Die Autoren, die eher ein kleinbürgerliches als ein bäuerliches
Publikum ansprechen wollten, setzten an die Stelle des bäuerlichen Personals
zwar ein bürgerliches, ansonsten bedienten sie sich aber ähnlich stereotyper
Handlungsschemata und Motive. (...)
[Vom traditionellen zum kritischen Volksstück]
Den neuen Ton im süddeutsch-österreichischen
Volksstück schlug in der Zwischenkriegszeit
Ödön von Horvath an, ein Autor
„typisch altösterreichischer Mischung“, wie er selbst einmal sagte. Der Vater
war ein österreichisch-ungarischer Diplomat, die Mutter Deutschungarin. Geboren
wurde er 1901 in Susak, einem Vorort des heutigen Rijeka. Die Familie
übersiedelte später nach Belgrad, dann nach Budapest, nach München, nach
Preßburg, kehrte wieder zurück nach Budapest und zog nach Kriegsende
schließlich nach Wien, wo Horvath maturierte. In München studierte er
Philosophie und Germanistik. 1924 übersiedelte er nach Berlin. Dort entstanden
in den Folgejahren die dramatischen Werke, die Horvath mittlerweile zu einem
Theaterklassiker des 20.Jahrhunderts gemacht haben. Den ersten Bühnenerfolg
brachte ihm sein 1927 uraufgeführtes sozialkritisches Stück „Revolte auf Cote
3018“, das 1929 in umgearbeiteter Fassung unter dem Titel „Die Bergbahn“ wieder
aufgeführt wurde.
1926 schrieb Horvath das Volksstück
„Sladek“(UA 1929), in dem der Autor einen entwurzelten Menschen der
Zwischenkriegszeit zeigt, der meint, er könne in einer nationalsozialistischen
Organisation Halt und Orientierung finden. Die Hoffnung erweist sich als
Illusion. In knapper Folge entstanden dann in der Zeit zwischen 1928 und 1933
mehrere Volksstücke, von denen „Geschichten aus dem Wienerwald“ und „Kasimir
und Karoline“ (UA 1931) heute wohl die bekanntesten sind.(...)
Horvath verließ nach Hitlers
Machtergreifung Deutschland und lebte zunächst in Wien und in Henndorf bei
Salzburg. Nach dem Einmarsch der Hitler-Truppen in Österreich reiste er nach
Budapest, Zürich, Amsterdam und schließlich nach Paris. Dort sollten Pläne für
die Verfilmung seines Romans „Jugend ohne Gott“ geschmiedet werden. Es kam
nicht mehr dazu. Horvath wurde am 1.Juni 1938 in Paris von einem
herabstürzenden Ast erschlagen.
Der Nationalsozialismus beendete Horvaths
Karriere als Bühnenautor, und es sollte lange dauern, bis seine Bedeutung für
die Entwicklung eines kritischen deutschsprachigen Volksstücks wieder anerkannt
wurde. Nach dem Krieg war Horvath fast ein vergessener Autor. Nur selten wurde
ein Stück von ihm gespielt. Erst in den Sechziger Jahren setzte eine
richtiggehende Horvath-Renaissance ein, in deren Gefolge eine neue Generation von
Volksstücken entstand, deren Autoren auf Horvaths Konzept eines kritischen
Volksstücks aufbauten.
[„Bildungsjargon“ - Sprachkritik in Horvaths Stücken]
Horvath sagte einmal, er zerstöre bewusst
das alte Volksstück, diesen schönfärberischen Unterhaltungsartikel. Er
distanzierte sich aber nicht nur vom sentimentalen Kitsch und von der seichten
Komik, sondern auch vom naturalistischen Bühnenstil. Er meinte, wenn man seine
Stücke naturalistisch spiele, werde man ihnen nicht gerecht. Man müsse die Figuren
und ihre Sprache stilisieren. Erst dann wird deutlich, worauf es Horvath
ankommt. Er will den Menschen zeigen, der seinem Selbst entfremdet ist, der mit
falschem, deformiertem und manipuliertem Bewusstsein durch sein Leben stolpert.
Diese Entfremdung des Menschen vom eigenen Selbst zeigt Horvath, indem er seine
Figuren immer wieder Sätze sprechen läßt, die offenkundig nicht ihre eigenen
sind, an denen sie sich aber orientieren. Es handelt sich um angelesene Sätze,
um zufällig Gehörtes, unkritisch Aufgeschnapptes, um banale Kalenderweisheiten,
um Zitate aus Illustrierten, sentimentale Phrasen aus Heftchenromanen,
kitschige Refrains aus Operetten. Danach richten Horvaths Figuren ihr Leben
aus. „Eine Frau, die wo etwas erreichen will, muß einen Mann bei seinem
Gefühlsleben packen“, sagt Karoline - und scheitert mit dieser Weisheit (...)
[Zur Funktion der Musik]
Unkonventionell setzt Horvath auch die
Musik ein. Melodien aus Operetten, sentimentale Volkslieder und Schlager
verwendet er nicht, um dramatische Stimmungsbilder akustisch zu untermalen,
sondern um das Illusionäre dieser Art von Pseudoromantik zu zerstören.
Bühnenhandlung und Musik stehen zueinander im deutlichen Kontrast.
[Das „Neue Volksstück“]
Unter den neueren Volksstückautoren der sechziger
und siebziger Jahre waren es insbesondere die beiden bayrischen Dramatiker
Martin Sperr und Franz Xaver Kroetz, die sich mit der von Horvath begründeten
dramatischen Tradition beschäftigten. Beispielhaft sei hier „Oberösterreich“
von Franz Xaver Kroetz angeführt, ein Zweipersonenstück. Die beiden
Hauptfiguren heißen Heinz und Anni, sie sind sogenannte einfache Menschen, er
Lastwagenfahrer, sie Verkäuferin. Und sie führen eine sogenannte normale Ehe,
bis Anni eines Tages schwanger wird. Heinz will, daß Anni das Kind abtreiben
läßt, weil sie sich nach seiner Berechnung ein Kind nicht leisten können.
Dadurch gerät die Ehe in eine schwere Krise, denn Anni will das Kind bekommen.
Die Lösung ist - gemessen an üblichen Dramenschlüssen der Moderne - geradezu
positiv. Anni setzt sich durch, und Heinz zeigt letztlich auch eine gewisse
Bereitschaft, sein Kind nicht nur als Störung und finanzielle Belastung zu
sehen. So ist das Ende des Stücks ein Gegenentwurf zu jener menschlichen
Katastrophe, die immerhin auch möglich gewesen wäre, und die Kroetz andeutet,
indem er Anni einen Zeitungsartikel vorlesen läßt, in dem von einem Mord
berichtet wird. In Oberösterreich - daher der Titel des Stücks - hat ein
Hilfsarbeiter seine Frau erschlagen, weil diese nicht zur Abtreibung des
gemeinsamen Kindes bereit war.
Ähnlich wie Horvath in seinen Volksstücken
zeigt Kroetz in „Oberösterreich“ die Entfremdung der Figuren von ihrem Selbst.
Ihr Bewusstsein ist geprägt von den Verheißungen der Konsumgesellschaft, von
den Sätzen der Werbung und der schönen Kunstwelt der Illustrierten und der
TV-Shows. Lebensglück scheint dann erreichbar zu sein, wenn man sich leisten
kann, was von den Werbemedien als Glücksbringer angepriesen wird. Anni macht
einen Krabbensalat, weil Krabbensalat die Lieblingsspeise von Curd Jürgens ist
(und folglich köstlich sein muss).
Heinz schwärmt von einem zitronengelben Opel Manta, weil er kein „Massenauto“
ist, weil ihn sich nicht jeder leisten kann. Die Dinge werden also nicht mehr
nach ihrem Gebrauchswert beurteilt, sondern nach dem Tauschwert, den sie haben.
Was billig ist, was sich viele leisten können, verliert für den einzelnen
automatisch an Wert. Der Konsumartikel befriedigt nicht mehr ein primäres
Bedürfnis, sondern soll die Sehnsucht nach Glück, Wohlbefinden, Selbstbewusstsein
und gesellschaftlicher Anerkennung erfüllen. Er wird zum Prestigeobjekt, zum
Statussymbol. Die von Kroetz angedeutete Verhaltensänderung bei Anni und
insbesondere bei Heinz verweist auch utopisch auf die Chance des Menschen, sich
von der Manipulation durch die Konsumwirtschaft zu emanzipieren.
In Österreich hat das „Neue Volksstück“ etwa
seit 1970 eine ungebrochene Tradition in unterschiedlichen Varianten(...).“
2.3. Zur soziologischen Interpretation des Stücks „Kasimir und Karoline“
Horvaths Figuren gehören meist
der kleinbürgerlichen Schicht an (Beamte, Kleingewerbetreibende, Angestellte).
Unter den ökonomischen Bedingungen der Zwischenkriegszeit war das
Kleinbürgertum ständig von Verarmung und Proletarisierung bedroht. Das
ökonomisch gut abgesicherte, besitzende Bürgertum hatte ein eigenständiges
Klassenbewusstsein, und die Arbeiterschaft entwickelte im Laufe ihrer sozialen
Emanzipation ein proletarisches Selbstverständnis, das durch politische
Organisationen und Verbände institutionell getragen wurde. Das Kleinbürgertum
hingegen nahm eine indifferente Mittelstellung ein. Das Selbstbild war meist
bürgerlich, obwohl die wirtschaftliche Realität damit kaum Schritt hielt, denn
der ärmere Teil des Kleinbürgertums lebte in Verhältnissen, die denen des
Proletariats ähnlicher waren als denen des Großbürgertums. Die Sehnsucht nach
dem Aufstieg in das besitzende Bürgertum einerseits und die Angst vor der
Proletarisierung andererseits prägen jenes kleinbürgerliche Denken, das Horvath
nach eigener Aussage „demaskieren“ wollte. Um die Zugehörigkeit zur „besseren“
Gesellschaft zumindest auf der Erscheinungsebene zu veranschaulichen, ahmte das
Kleinbürgertum gern den großbürgerlichen Habitus nach und verwendete die
teilweise erworbene Bildung vor allem dazu, einen gehobenen sozialen Status
vorzuzeigen. Der „Bildungsjargon“, den Horvaths Figuren manchmal sprechen,
veranschaulicht dieses sprachsoziologische Phänomen recht gut. Die Enttäuschung
über die begrenzten materiellen Aufstiegschancen, die ihnen die demokratische
Republik bieten konnte und die Hoffnung auf das bessere (großbürgerliche) Leben
schufen die emotionale Grundlage für den Aufstieg des Nationalsozialismus.
Hitlers Propagandastrategie sprach hauptsächlich Gefühle kleinbürgerlicher
Schichten an.
3. DIDAKTISCHE ERGÄNZUNG FÜR DEN DEUTSCHUNTERRICHT: Aufgaben zur Erschließung des Dramas (Für den Gebrauch in der
Sekundarstufe II)
Lesen Sie die Szenen 1-9
1.
Das Stück spielt auf dem Münchner Oktoberfest. Welche Assoziationen löst
dieser Spielort bei Ihnen aus?
2.
Das Stück spielt in der Weimarer Republik in der Zeit nach der Wirtschaftskrise
1929. Haben Sie historische Kenntnisse über diese Zeit?
3.
Wie reagieren die Menschen auf den Flug des Zeppelin? (3.Szene) Was
erfahren Sie in dieser Szene über Kasimir und seine Beziehung zu Karoline?
4.
Erläutern Sie die „Dynamik“ der Vorfälle, die dazu führt, dass Kasimir
am Ende der 5.Szene zu Karoline sagt: „So. Und jetzt laß ich dich stehen.“
5.
Welches Bild bekommen Sie von Eugen Schürzinger aufgrund der 4., 6. und
9.Szene?
Lesen Sie die Szenen 10-20
1.
Ein neues Paar betritt die Bühne. „Der Merkl Franz“ und „Dem Merkl Franz
seine Erna.“ Welchen Eindruck erhalten Sie von der Persönlichkeitsstruktur der
beiden Figuren und von ihrer Beziehung zueinander?
2.
In welcher Weise versucht Merkl auf Kasimir Einfluss zu nehmen?
3.
Aufgrund welcher Vorfälle und Verhaltensweisen kommt es zwischen
Karoline und Kasimir zum endgültigen Bruch?
Lesen Sie die Szenen 21-38
1.
Rauch und Speer waren zwar in der 3.Szene schon einmal zu sehen. Als
Figuren gewinnen sie allerdings erst jetzt „Profil“. Beschreiben Sie Ihr Bild
von diesen Herrn!
2.
Was bedeutet das Zusammentreffen mit Rauch und Speer für Schürzinger?
Wie verhält er sich?
3.
In der 36. Szene versucht sich Kasimir noch einmal mit Karoline zu
versöhnen. Woran scheitert dieser Versuch?
Lesen Sie die Szenen 39-57
1.
Die „Abnormitätenschau“ gehörte früher auf Volksfesten und Jahrmärkten
zur Belustigung. Was halten Sie von dieser „Unterhaltungsform“?
2.
Wie geht der „Direktor“ der Abnormitätenschau mit seinen Angestellten
um?
3.
Wie entwickelt sich die Beziehung zwischen Karoline und Schürzinger in
diesen Szenen? Wie verhält sich Rauch?
Lesen Sie die Szenen 58-72
1.
Es wird Ihnen bereits aufgefallen sein, dass Horvath oft Musik einsetzt,
nicht nur als Verbindung zwischen zwei Szenen, sondern oft auch als Zeichen,
das im Kontrast zu einzelnen Handlungselementen steht. In der 59.Szene wird zum
Beispiel gesungen: „(...) Solang stirbt die Gemütlichkeit zu München nimmer
aus. Wie verhält sich diese Liedzeile zu den Vorgängen in der Folgeszene?
Achten Sie ab nun immer auf dieses dramatische Gestaltungselement und erklären
Sie es!
2.
Beschreiben Sie den Zustand, in den Kasimir mittlerweile geraten ist.
Welche Ansichten äußert er? Wie verhält er sich?
3.
Wie reagieren Merkl Franz und „seine Erna“ auf Kasimirs Zustand?
4.
Merkl erklärt seine „Spezialisierung auf einen gewissen Paragraphen“
auch aus gesellschaftspolitischen Umständen (68.Szene). Was halten Sie von
dieser Erklärung?
Lesen Sie die Szenen 73-83
1.
Erläutern Sie Schürzingers Verhalten in diesen Szenen. Beachten Sie
insbesondere die Bedeutung der „Anekdote“ über Ludwig XV., die Rauch erzählt,
und Schürzingers Reaktion darauf.
2.
Welche Auswirkung hat die Werbung um Karoline auf die Freundschaft
Zwischen Rauch und Speer?
3.
Was erwartet sich Karoline von Konrad Rauch?
Lesen Sie die Szenen 85-108
1.
In diesem Abschnitt steigert Horvath das Tempo der Handlung. Fassen Sie
die wesentlichen Handlungsschritte kurz zusammen.
2.
Erläutern Sie Ernas Aussagen über die Schlechtigkeit der Menschen
(88.Szene). Wie denken Sie darüber?
3.
Wie endet Karolines Traum von einer höheren gesellschaftlichen Stellung?
Beachten Sie auch den Text1 „Die Wiesenbraut“ im Materialienteil
Lesen Sie die Szenen 109-117
1.
Wie zeigt Horvath die schrittweise Annäherung zwischen Erna und Kasimir?
Welche Folgen hat diese Annäherung?
2.
Erläutern Sie Karolines Verhalten in der 113. Szene und Kasimirs
Reaktion darauf.
3.
„Man hat halt oft so eine Sehnsucht in sich – aber dann kehrt man zurück
mit gebrochenen Flügeln und das Leben geht weiter, als wär man nie dabei
gewesen“, sagt Karoline in der 114. Szene. Erklärt diese Aussage ihr eigenes
Verhalten und dessen Ergebnis?
4.
Am Schluss haben sich zwei Paare gefunden. Kenn Sie dramatische Schlüsse
dieser Art, zum Beispiel aus Filmen, die Sie gesehen haben? Inwiefern
unterscheidet sich Horvaths „Happy-End“ von gängigen Happy-Ends?
5.
Kehren Sie noch einmal ganz an den Beginn des Stücks zurück. Horvath
schrieb als Motto über sein Drama „Und die Liebe höret nimmer auf.“ Dies ist
ein Zitat aus dem Neuen Testament (Paulus, 1. Brief an die Korinther, 13/8, Das
Hohelied der Liebe) Vergleichen Sie diesen Text mit den Äußerungsformen von
Liebe in Horvaths Stück? Hat Horvath Ihrer Ansicht nach dieses Motto gewählt,
weil „Kasimir und Karoline“ die paulinische Darstellung der Liebe beispielhaft
veranschaulicht?
„Die Liebe ist langmütig, /
die Liebe ist gütig. / Sie ist nicht eifersüchtig, / sie prahlt nicht / und
bläht sich nicht auf. / Sie handelt nicht unschicklich, sucht nicht ihren
Vorteil, sie läßt sich nicht herausfordern / und trägt das Böse nicht nach. /
Sie freut sich nicht über das Unrecht, / sondern freut sich mit der Wahrheit. /
Sie erträgt alles, / glaubt alles, / hofft alles, / hält allem stand. / Die
Liebe hört niemals auf (...)“
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