Das 26. Philosophicum Lech bespielte unter dem Motto „Alles wird gut“ das weite Feld zwischen Utopie und Apokalypse. Meine kleine Nachlese erschien am 30.9. in den OÖN
Am „Vorabend“, der traditionellen Auftaktveranstaltung zum
Philosophicum Lech, diskutierte der Philosoph Konrad Paul Liessmann mit dem
Autor Michael Köhlmeier den auf Hesiod zurückgehenden Mythos von der „Büchse
der Pandora“. Laut Hesiod war Zeus erzürnt darüber, dass der selbstherrliche
Titan Prometheus menschliche Wesen erschaffen hatte, und rächte sich mit einem
teuflischen Geschenk.
Der Göttervater schickte die bezaubernde Pandora mit einer
Büchse zu den Menschen, in die er sämtliche Übel gepackt hatte, von Krankheiten
und Leiden über Laster bis hin zur Sterblichkeit. Epimetheus, der dümmere
Bruder des Prometheus, fiel auf Pandora herein und ließ die Büchse öffnen. Erst
als alle Übel entwichen waren, schloss er sie wieder. Pandoras Büchse war aber
noch nicht leer. Ganz unten wäre noch die Hoffnung gelegen – und so wurde die
Erde für den Menschen nicht nur zu einem üblen, sondern auch zu einem
hoffnungslosen Ort.
Der von Liessmann gerne zitierte Philosoph Friedrich
Nietzsche bot allerdings eine alternative Interpretation des Missgeschicks an:
Die Hoffnung ist sehr wohl auch entwichen, erweist sich aber als das größte
aller Übel, weil sie den Menschen zu Illusionen über sein jämmerliches Dasein
verführt. Diese spannungsreiche Ambivalenz bestimmte nicht nur den Untertitel
des 26. Philosophicums Lech („Zur Dialektik der Hoffnung“), sie zog sich als
roter Faden durch die Vorträge der Referentinnen und Referenten, die nicht nur
aus dem Fachbereich Philosophie kamen und so die interdisziplinäre Weite des
Themas repräsentierten.
Immanuel Kant stellte die Frage „Was dürfen wir hoffen?“
noch im religiösen Kontext der Metaphysik, weil sie über den Tod hinausweist.
Dass sich die Frage nach göttlicher Transzendenz auch in unserer
säkularisierten Gesellschaft nicht völlig erledigt hat, zeigte sich in den
Referaten des Berliner Theologen Hartmut von Sass und des Grazer Philosophen
Peter Strasser. Von Sass unterscheidet zwischen der konkreten Hoffnung auf
etwas, zum Beispiel auf einen beruflichen Erfolg, und der Hoffnung als
Grundstimmung. Wer grundsätzlich „hoffnungsvoll lebt“, begegnet der Welt und
den Menschen anders als der Hoffnungslose. Hoffnung definiert von Sass als
„Sinn für die Möglichkeit des Guten“, verbunden mit einem Grundvertrauen in die
Gestaltungskraft des Menschen, gerade auch unter ungünstigen Bedingungen.
Säkulare Staats- und Sozialutopien sind ein starker Vertrauensbeweis
in diese menschliche Gestaltungskraft. In Ernst Blochs Hauptwerk „Das Prinzip
Hoffnung“, das die Kulturwissenschaftlerin Francesca Vidal ins Zentrum ihres
Referats stellte, sind Tagtraum und Hoffnung die elementare Kraft hinter
unseren utopischen Anstrengungen. Dass diese selbstbewusste Haltung zur Welt
auch auf verhängnisvollen Irrtümern beruhen und zu inhumaner politischer Praxis
führen kann, zeigt die Geschichte des radikalen Sozialismus. Der undogmatische
Marxist Ernst Bloch verließ die DDR 1961, kurz nach dem Mauerbau.
Große gesellschaftspolitische Hoffnungskonzepte haben –
ähnlich wie religiöse Heilsbotschaften – im mehr oder weniger aufgeklärten
Westen ihre Anziehungskraft verloren. Die Hoffnung, dass vielleicht nicht
alles, aber doch so manches gut werden könnte, stützt sich heute eher auf den
technologischen und naturwissenschaftlichen Fortschritt. Die menschliche
Hoffnung auf Unsterblichkeit wird, wie die Biochemikerin Renée Schroeder
humorvoll ausführte, vom Jenseits ins Diesseits verlagert. Ob die Vorstellung,
durch biochemische Intervention das Leben des Menschen auf 500 Jahre zu
verlängern, tatsächlich wünschenswert ist, bleibt allerdings umstritten; ebenso
wie die von der Philosophin Catrin Misselhorn relativierte Hoffnung, eine zur
Superintelligenz weiterentwickelte Künstliche Intelligenz werde für uns alle
Probleme lösen, die wir selbst verursacht haben, zum Beispiel den Klimawandel.
Es war nicht überraschend, dass die Dialektik von Hoffnung
und apokalyptischer Furcht mehrmals am Öko-Thema diskutiert wurde, wobei sich
relativer Pessimismus (vertreten durch den Soziologen Harald Welzer) und
vorsichtiger Optimismus (vertreten durch den Ökonomen Fred Luks) in etwa die
Waage hielten. Einigkeit bestand darüber, dass die Zukunft grundsätzlich offen
und Hoffnung realistisch ist, solange Möglichkeiten des Handelns erkennbar
sind. Und manchmal kann es angebracht sein, das erkennbar Sinnvolle zu tun,
auch dann, wenn die Erfolgsaussichten mager sind.
Mit dieser Ermunterung ging das 26. Philosophicum Lech zu
Ende. Es war wie immer professional organisiert und bot mehr als 600
denkwilligen Menschen die Möglichkeit zur Teilhabe an einem anspruchsvollen,
aber auch heiteren philosophischen Diskurs. Für das 27. Philosophicum (17.-22.9.2024)
hat Konrad Paul Liessmann die bekannte Schweizer Philosophin Barbara Bleisch
als Co-Intendantin ins Leitungsteam geholt. Das Thema: „Sand im Getriebe. Eine
Philosophie der Störung“.
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