Sabine Grubers neuer Roman "Die Dauer der Liebe" gehört zu den besten Neuerscheinungen, die ich in diesem Jahr gelesen habe. Warum ich das meine, habe ich für die Oberösterreichischen Nachrichten (24.8.23) folgendermaßen ausgeführt:
Die Übersetzerin Renata Spaziani bekommt eines Morgens
Besuch von der Polizei. Der Beamte teilt ihr mit, dass der Künstler Konrad
Grasmann, seit 25 Jahren Renatas Lebensgefährte, auf einem Parkplatz tot
zusammengebrochen ist. Eine dauerhafte, tiefe Liebesbeziehung wird plötzlich
abgerissen; Schmerz und Trauer sind heftig.
Der Verlust des geliebten Mannes bleibt aber nicht die
einzige Zumutung, mit der Renata zurechtkommen muss. Ihre Partnerschaft mit
Konrad war rechtlich nicht abgesichert, und das Testament, das Konrad
hinterlassen hat, erweist sich als ungültig. Das wäre vielleicht halb so
schlimm, wäre da nicht Konrads Tiroler Familie.
Konrads Geschwister, vor allem der jüngere Bruder Marcel,
setzen sich über die Wünsche des Verstorbenen pietätlos hinweg. Die
schwierigste Angehörige ist Mutter Henriette, schon zu Lebzeiten des
Verstorbenen ein Musterbeispiel an mangelnder Empathie, Bösartigkeit und
bigotter Selbstgerechtigkeit.
Obwohl Konrad allem Kirchlichen fernstand, wird ein
katholisches Begräbnis inszeniert. Der in Kunstfragen inkompetente Marcel nimmt
nicht nur Konrads künstlerische Werke an sich, sondern bedient sich auch an
Einrichtungsgegenständen und Kleidungsstücken, um sie im Internet zu verscherbeln.
Renata ist nicht imstande, sich gegen die Familie zu wehren. Halt geben ihr
gute Freundschaften, vor allem die zu Bruno, einem Kriegsfotografen, den man
schon aus Sabine Grubers Roman „Daldossi
oder Das Leben des Augenblicks“ kennt.
Es ist nicht leicht, für dieses sensible Thema eine
angemessene Sprache zu finden. Nur eine Autorin mit dem stilistischen Können
einer Sabine Gruber ist solch einer Herausforderung gewachsen. Ihre Sprache ist
gefühlvoll, aber ohne Pathos, bisweilen ironisch, aber ohne jeden Zynismus. Zurückhaltend,
aber treffend geht sie mit Metaphern um.
So erzählt Gruber von den mehr oder weniger erfolgreichen
Versuchen Renatas, mit dem Verlust ihres Lebensmenschen zurechtzukommen, von
Erinnerungen an eine Liebe, die nicht nur Schönwettertage hervorbrachte, von
der Notwendigkeit, sich auf den neuen Lebensabschnitt zu besinnen und
vielleicht auch eine neue Liebesbeziehung zu erwägen. Gelungen sind auch die
Abschnitte, in denen Sabine Gruber von Konrad Grasmanns künstlerischer Arbeit
erzählt, in deren Mittelpunkt ein politisch heikles Thema stand: die
Architektur in der Pontinischen Ebene, die in den Dreißigerjahren unter
Mussolini trockengelegt wurde.
Gewidmet ist „Die Dauer der Liebe“ Wolfgang Fetz, dem langjährigen Leiter des Bregenzer Kulturamts, geboren 1958, verstorben im Jahr 2022. Autobiographische Zusammenhänge dürfen vermutet werden, aber ein Roman präsentiert Erlebtes und Erlittenes allemal in freier, fiktionaler Gestalt. Das ist zu respektieren.
Sabine Gruber: „Die Dauer der Liebe“, Roman, C.H. Beck, 250
Seiten, 24,80 Euro
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