Aus meiner Rezension in den OÖN (Freitag, 19.5.23)
Klemens Renoldner erzählt in seinem
lesenswerten Buch „Geschichte zweier Angeklagter“ vom Leben seines Großvaters
Alois (1884-1966), der Gendarmerie-Major in der Sicherheitsdirektion Linz war.
Am 13. März 1938, unmittelbar nach dem Einmarsch der deutschen Truppen, wurde
Alois Renoldner verhaftet. Veranlasst hatte die Verhaftung Oberst Simmer,
Renoldners Vorgesetzter, ein fanatischer Nationalsozialist und rücksichtsloser
Karrierist.
Erst nach fünf Monaten „Schutzhaft“ und sechs Monaten KZ-Haft
in Dachau kam Alois Renoldner wieder frei. Ewald Simmer wurde nach dem Ende des
Dritten Reichs wegen seiner Verbrechen in der NS-Zeit angeklagt. Indem Klemens
Renoldner dem Schicksal seines Großvaters den Prozess gegen Simmer gegenüberstellt,
gelingt ihm ein aufschlussreicher Text über Recht und Unrecht, aus juristischer,
moralischer und politischer Sicht.
Der Anfang der halbdokumentarischen „Geschichte zweier
Angeklagter“ erinnert ein wenig an Franz Kafkas Roman „Der Proceß“. Ähnlich wie
Josef K. muss auch Major Renoldner von jemandem verleumdet worden sein, denn er
wird eines Tages verhaftet, ohne etwas Böses getan zu haben. Während aber bei
Kafka der Verursacher anonym bleibt, ist hier die Sache ziemlich klar: Simmer
heißt die Kanaille!
Im ersten Teil seines Buchs bedient sich Klemens Renoldner
eines halbfiktionalen Erzählverfahrens, mit dem er die bedrückenden
Hafterlebnisse des Großvaters in den Jahren 1938/39 eindrucksvoll
veranschaulicht. Die anfängliche Hoffnung, man könne auch mit Gestapo-Männern
auf der Grundlage von Rechtsnormen vernünftig reden, zerbricht bald.
[...]
Im zweiten Teil des Buchs nimmt Klemens Renoldner das fiktionale Erzählverfahren zugunsten des dokumentarischen etwas zurück. Die Dokumente des Prozessverlaufs gegen Ewald Simmer bieten Anschaulichkeit und „Spannung“ genug. Simmer versucht vergeblich, sich selbst als missverstandenen NS-Gegner und eigentliches Opfer darzustellen. Im ersten Gerichtsverfahren wird er aufgrund der erdrückenden Beweislage zu vier Jahren schwerer Kerkerhaft verurteilt. Aber ein raffiniert agierender Anwalt bewirkt die Wiederaufnahme des Verfahrens, das letztlich zu einem Freispruch führt.
Klemens Renoldner: „Geschichte zweier Angeklagter“,
Sonderzahl, 120 Seiten, 21 Euro
Veranstaltungshinweis: Buchpräsentation mit Klemens
Renoldner, StifterHaus Linz, Dienstag, 23.5., 19.30, Moderation: Alexandra
Millner
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