Sonntag, 21. Mai 2023

Kulturbrief 2: Klemens Renoldner liest am Dienstag im StifterHaus Linz

 

Aus meiner Rezension in den OÖN (Freitag, 19.5.23)

Klemens Renoldner erzählt in seinem lesenswerten Buch „Geschichte zweier Angeklagter“ vom Leben seines Großvaters Alois (1884-1966), der Gendarmerie-Major in der Sicherheitsdirektion Linz war. Am 13. März 1938, unmittelbar nach dem Einmarsch der deutschen Truppen, wurde Alois Renoldner verhaftet. Veranlasst hatte die Verhaftung Oberst Simmer, Renoldners Vorgesetzter, ein fanatischer Nationalsozialist und rücksichtsloser Karrierist.

Erst nach fünf Monaten „Schutzhaft“ und sechs Monaten KZ-Haft in Dachau kam Alois Renoldner wieder frei. Ewald Simmer wurde nach dem Ende des Dritten Reichs wegen seiner Verbrechen in der NS-Zeit angeklagt. Indem Klemens Renoldner dem Schicksal seines Großvaters den Prozess gegen Simmer gegenüberstellt, gelingt ihm ein aufschlussreicher Text über Recht und Unrecht, aus juristischer, moralischer und politischer Sicht.

Der Anfang der halbdokumentarischen „Geschichte zweier Angeklagter“ erinnert ein wenig an Franz Kafkas Roman „Der Proceß“. Ähnlich wie Josef K. muss auch Major Renoldner von jemandem verleumdet worden sein, denn er wird eines Tages verhaftet, ohne etwas Böses getan zu haben. Während aber bei Kafka der Verursacher anonym bleibt, ist hier die Sache ziemlich klar: Simmer heißt die Kanaille!

Im ersten Teil seines Buchs bedient sich Klemens Renoldner eines halbfiktionalen Erzählverfahrens, mit dem er die bedrückenden Hafterlebnisse des Großvaters in den Jahren 1938/39 eindrucksvoll veranschaulicht. Die anfängliche Hoffnung, man könne auch mit Gestapo-Männern auf der Grundlage von Rechtsnormen vernünftig reden, zerbricht bald. [...]

Im zweiten Teil des Buchs nimmt Klemens Renoldner das fiktionale Erzählverfahren zugunsten des dokumentarischen etwas zurück. Die Dokumente des Prozessverlaufs gegen Ewald Simmer bieten Anschaulichkeit und „Spannung“ genug. Simmer versucht vergeblich, sich selbst als missverstandenen NS-Gegner und eigentliches Opfer darzustellen. Im ersten Gerichtsverfahren wird er aufgrund der erdrückenden Beweislage zu vier Jahren schwerer Kerkerhaft verurteilt. Aber ein raffiniert agierender Anwalt bewirkt die Wiederaufnahme des Verfahrens, das letztlich zu einem Freispruch führt.

Klemens Renoldner: „Geschichte zweier Angeklagter“, Sonderzahl, 120 Seiten, 21 Euro

Veranstaltungshinweis: Buchpräsentation mit Klemens Renoldner, StifterHaus Linz, Dienstag, 23.5., 19.30, Moderation: Alexandra Millner

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen