Dienstag, 5. August 2025

Kulturbrief 29: Als Apoll einer Serbin das Paradies versprach

 

Dass mich Milica Vučković Roman „Der tödliche Ausgang von Sportverletzungen“ beeindruckt hat, konnte man in den "Oberösterreichischen Nachrichten (9.7.25) lesen:

In ihrem Herkunftsland Serbien ist die 1989 geborene Autorin Milica Vučković längst keine Unbekannte mehr. Seit ihr Roman „Der tödliche Ausgang von Sportverletzungen“ in deutscher Sprache erschienen ist (Übersetzung Rebekka Zeinzinger), ist ihr Bekanntheitsgrad auch bei uns sprunghaft angestiegen. Aus gutem Grund! Das schmale, aber inhaltlich reiche Buch von nicht ganz 200 Seiten enthält genug Leben für einen Roman von der doppelten Länge.

Milica Vučković erzählt in der Ich-Form die Geschichte von Eva, einer jungen Serbin, die in einer reizlosen Vorstadt von Belgrad aufwächst. Ihre ehrgeizige Schwester Vera studiert Molekularbiologie, die weniger ambitionierte Eva begnügt sich nach absolvierter Schulpflicht mit der Anstellung in einer IT-Firma. Evas erste Liebesbeziehungen verlaufen lauwarm, auch die zum emotional unterentwickelten Tomislav. Die frühe Ehe mit ihm währt nicht lange, als bleibende Erinnerung bleibt ihr allerdings das Söhnchen Mario.

Den klang- und glanzvollen Wendepunkt in Evas Leben scheint die Begegnung mit Viktor einzuläuten. Er ist charmant, witzig, gibt Pseudokluges über Kapitalismus und Kommunismus von sich, sieht aus „wie Apoll“, und wenn seine Selbsteinschätzung nicht trügt, steht er am Beginn einer großen Karriere als Journalist und Autor. Zu Eva sagt er: „Du bist meine Prinzessin. Wir werden im Paradiesgarten leben.“ Konfrontiert mit Versprechungen dieser Luxuskategorie, sollte bei einer klugen Frau eigentlich die emotionale Alarmanlage aufheulen.

Paradiesisch ist das gemeinsame Leben in Deutschland, zu dem sich Eva überreden lässt, ganz und gar nicht. Es sind aber nicht die mühevollen Arbeiten als Reinigungsfrau und Hilfsköchin, unter denen sie leidet, die Leidens- und Stressquelle heißt Viktor. Anfangs hat Eva die Zeichen von Unberechenbarkeit und Rücksichtslosigkeit bagatellisiert oder die Schuld bei sich selbst gesucht, aber irgendwann schiebt sich die bittere Realität gnadenlos über die Wunschbilder.

Schwankend zwischen Selbstherrlichkeit und Selbstzweifeln, Sentimentalität und Wutausbrüchen, bietet Viktor das erbärmliche Bild eines Mannes, der mit sich selbst nie ins Reine gekommen ist und als Partner schlicht und einfach eine Zumutung darstellt. Apollinische Schönheit bringt in solchen Fällen auch nichts mehr. Die Phrase von der „toxischen Beziehung“ wird zwar heute allzu oft und leichtfertig strapaziert, für das Liebesdesaster von Eva und Viktor trifft sie aber zu.

Milica Vučković erzählt diese beklemmende Beziehungsgeschichte mit beeindruckender Überzeugungskraft; schnörkellos, aber nicht unpoetisch; empathisch, aber nicht rührselig. In der saloppen Sprache der nichtakademischen Literaturkritik nennt man so etwas einen „Wurf“.

Milica Vučković: „Der tödliche Ausgang von Sportverletzungen“, Roman, Zsolnay, 189 Seiten, 23,70 Euro